Rafael Hauptmann

Libertäres Marketing

Blogs, Flyer und Symbole: Plädoyer für Metapolitik – die identitäre Bewegung als Vorbild

Siegerbeitrag zum ef-Jungautorenwettbewerb 2016


von Rafael Hauptmann


Brauchen Libertäre Blumen, Lieder und Fahnen? Die klare und eindeutige Antwort ist: Jein. Libertäre brauchen keine Blumen, Lieder und Fahnen. Menschen, die sich der libertären Sichtweise der Welt annähern wollen, jedoch sehr wohl. 


Die libertäre Bewegung in Europa ist ihrem Wesen nach elitär und als idealistischer und intellektueller Kader formiert. Die meisten libertär denkenden Menschen wissen nicht einmal, dass sie eine geistige Heimat haben. Es fehlen die Symbole und Identifikationsmerkmale. Die Theorie ist vorhanden, der Kader auch, aber es fehlen die Zeichen am Horizont. Wenn es etwas von den Sozialisten linker und rechter Couleur zu lernen gibt, dann das: Die dümmste Idee addiert mit den einfachsten Schlagworten, multipliziert mit einem prägnanten Symbol und eine schmissige Hymne als Hochzahl sind durchaus zielführend. Viel zu lange schon verzichtet die libertäre Bewegung auf solche wertvollen Multiplikatoren, sei es aus Überlegenheitsgefühl, sei es aus falschem Stolz vor solchen Anbiederungen an die Masse. Die Masse ist jedoch hier mehr als das Mittel zum Zweck. Die Menschen sind es, um die es geht, deren Köpfe und Herzen gewonnen werden wollen. Nur wird der Durchschnittsbürger niemals freiwillig eines der Werke von Ludwig von Mises oder Friedrich August von Hayek lesen. Genauso wenig, wie jemand freiwillig Karl Marx oder Nikolai Kondratjew lesen würde. Die beste Idee, egal wie stichhaltig und sinnvoll sie sein mag, braucht trotz allem starke und einfache Symbole.


Für ein Volk, das so stark und über so lange Zeit der Freiheit entwöhnt war wie das deutsche unserer Tage, trifft das besonders zu. Angefangen bei der Rundfunkgebühr über das Rauchverbot bis hin zur Selbstzensur in Wort und Schrift zu allem, was das Thema Asyl betrifft – Freiheit ist Mangelware, wohin man blickt. Wenn aber die Peitsche nicht hilft, das Zuckerbrot ist noch schrecklicher: Eine Alimentierung von der Wiege bis zur Bahre ist möglich, der Homo inritus (der nutzlose Mensch) ist geschaffen, und er vermehrt sich.


Die Europäer aus dieser unverschuldeten Unmündigkeit zu führen, dazu steht der Libertäre bereit. Er fordert nicht Gehorsam, er fordert nicht Unterwerfung, er zeigt, dass es anders geht. Er ist Multiplikator der Idee, nicht wie ein Priester oder Lehrer, sondern als Freund oder Ratgeber. Das Werkzeug hierfür? Blumen, Lieder und Fahnen. Oder in unser Jahrhundert übersetzt: Blogs, Flyer und Symbole. Die identitäre Bewegung macht es vor, es gilt nur zu lernen. Nicht Partei sein, sondern Haltung, nicht Meinung, sondern Leben, nicht der Pflasterstein, sondern der Marsch durch die Instanzen. Dieser Weg ist unendlich schwieriger, länger und steiniger. Was gibt da mehr Kraft, als einen Geistesverwandten an einem gemeinsamen Symbol zu erkennen, im Hörsaal, auf der Straße, in der Kneipe.


Kreuze, Sterne, Buchstaben


Das Wesen der Menschen scheint von Symbolen und Zeichen abhängig zu sein. Das mag ein Armutszeugnis für unsere Spezies sein, politisch ist es eine Chance, die nicht unberücksichtigt gelassen werden sollte. Symbole nehmen den Menschen die Angst und geben ihnen Hoffnung. Kein Christ versucht das Wesen der Trinität zu erfassen, zum Kreuz beten sie alle. Die wenigsten Sozialisten haben Marx gelesen, der Rote Stern führt sie. Der Mythus des 20. Jahrhunderts interessiert keinen nationalen Sozialisten, das Hakenkreuz ist ihr Fixpunkt. Die Anarchisten kennen Proudhon kaum dem Namen nach, das rote A ziert so manche Kommune.  


Welcher Art also könnten die Blumen, Lieder und Fahnen der libertären Bewegung sein? Etwas so Essentielles und eigentlich Selbstverständliches zu symbolisieren wie die Freiheit, ist in etwa so leicht, wie einem Blinden eine Farbe zu erklären. Verwirrend viele Zeichen existieren bereits und irritieren jeden Suchenden. Da wäre beispielsweise die gold-schwarze Flagge der Anarchokapitalisten, die Freiheitsstatue der Libertarian Party in den USA, der komische Vogel der KNP in Polen und noch einiges mehr.


Etwas Allgegenwärtiges, Nützliches und doch Schönes soll es sein


Dazu nun mein Versuch. Manche Parteien in Deutschland mögen sich mittlerweile mit Magenta zufriedengeben – ich glaube, die Freiheit sollte uns zumindest eine Spektralfarbe wert sein. Praktischerweise ist Gelb oder heraldisch gesehen Gold ja nun frei geworden und zudem weit verbreitet unter den Libertären aller Länder. Die Fahne ist also bereit. Eine Blume kommt natürlich nicht in Frage, unproduktiv und ziemlich empfindlich. Etwas Allgegenwärtiges, Nützliches und doch Schönes soll es sein. Da bietet sich natürlich Gras an. Drei stilisierte Halme, kurz, knapp und leicht zu reproduzieren, in Schwarz gehalten, um die Ablehnung unserer erzwungenen Unmündigkeit zu symbolisieren, und fertig ist das Zeichen. Schnell gedruckt, getaggt, gezeichnet, verbreitet und bekanntgemacht. Ich möchte mir nicht anmaßen, als Vordenker aufzutreten, das tun andere. Ich beschreibe nur den Prozess. 


Metapolitik


Metapolitik ist die endgültige Antwort auf die anfängliche Frage. Brauchen wir das? Wir brauchen nicht, wir sind. Aber was wir sind, muss verbreitet und klar kenntlich gemacht werden. In der öffentlichen Wahrnehmung sind die meisten liberalen Ideen beschmutzt und umgedeutet. Die Menschen haben Angst vor der Freiheit, die wir meinen. Angst vor der Verantwortung, die die Freiheit bringt, Angst vor den nötigen Veränderungen, Angst davor, sich mit ihren Nächsten auseinanderzusetzen, statt die Polizei oder den Anwalt zu rufen, Angst davor, für sich selbst sorgen zu können. Diese Angst ist so groß, dass sie sich vorschreiben lassen, wie sie in den sozialen Medien zu kommentieren haben, so gewaltig, dass sie einen Großteil ihres Einkommens abgeben, und so monströs, dass sie darauf verzichten, sich und ihre Familien selbst zu schützen. Diese Angst kann keine Theorie heilen und kein Argument entkräften. Diese Furcht zu besiegen, braucht es Mitstreiter und Symbole, einfache Formeln und, ja, vielleicht eine neue Marseillaise.


Die Aussage Ernst Jüngers „Man kann sich heute nicht in Gesellschaft um Deutschland bemühen; man muss es einsam tun wie ein Mensch, der mit seinem Buschmesser im Urwald Bresche schlägt, und den nur die Hoffnung erhält, dass irgendwo im Dickicht andere an der gleichen Arbeit sind“ gilt vielleicht für einen in Stahlgewittern abgehärteten Veteranen, für die Deutschen und Europäer des 21. Jahrhunderts aber sicher nicht.


eigentümlich frei Ausgabe 162

Diesen Artikel finden Sie gedruckt zusammen mit vielen exklusiv nur dort publizierten Beiträgen in der Mai-Ausgabe 2016 eigentümlich frei Nr.162.